Turbulente Debatte über Einwohnerantrag zur Blücher
Vier Ausschüsse und ein weiteres Gremium tagten gemeinsam
Einwohnerantragsdebatte am 23.05.2017
Gleich fünf Gremien − die Ausschüsse für Stadtentwicklung, Umwelt,
Inklusion, Gesundheit/Soziales und Jugendhilfe − tagten am Dienstag, 23.
Mai, gemeinsam im BVV-Saal des ehemaligen Kreuzberger Rathauses und
zahlreiche Gäste hatten sich eingefunden, um den erfolgreichen
Einwohnerantrag (EWA) der
Initiative für den Kiezerhalt aus den verschiedenen Perspektiven zu debattieren −, so jedenfalls die Intention.
Enormes Engagement der Anwohner*innen-Initiative
Inzwischen hatte die rastlose Aktivität der Initiative, die von dem
Vorhaben selbst erst 2015 erfahren hatte, während seit 2012 in Klausur
geplant, verworfen und umgeplant worden war, den drohenden Bau- und
Baumfrevel öffentlich und in der Fachwelt bekannt gemacht und dadurch
namhafte Unterstützer*innen gefunden.
Der Landesverband des
BUND warnte in einem Offenen Brief
angesichts des seit Jahren im Kontrast zu allem gegenteiligen
PR-Aufwand rückläufigen Baum- und Stadtnaturbestands: So viel, wie die
gegenwärtige (meist am Bedarf vorbei betonierende) Bauwut an Freiraum
und Stadtnatur zerstöre, könne man nicht mehr kompensieren. − Und wir
erinnern uns der von den Grünen wiederholt gelobten Kampagne
Immer.Grün
der großen Naturschutzverbände, die am Vortag noch einmal den grünen
Landesarbeitsgemeinschaften für Stadtentwicklung und Verkehr vorgestellt
wurde, und die unermüdliche Rede über Schutz und Förderung von Berlins
‚Grüner Infrastruktur‘.
Warum der Einwohnerantrag?
Werner von der Ini für den Kiezerhalt
Unaufgeregt und sachlich begründete ein Ini-Vertreter den EWA anhand
einer Präsentation, die den Grünbestand des Areals vor Augen führte. Der
Titel „Wie schön kann Stadt sein!?“ wurde sinnfällig. Der Engagierte
monierte die Überschreitung von
GFZ und
BMZ, also die schiere Masse der geplanten Baukörper, die von der gezeigten Stadtnatur wenig übriglasse.
Vor allem aber zielt die Kritik der Initiative auf die Handhabung von
Öffentlichkeits- und Betroffenenbeteiligung: Seit Sommer 2015 sind die
Anwohner*innen bemüht, ein Partizipationsverfahren anzustoßen, konnten
sogar zwei BVV-Beschlüsse zu Beteiligung und regulärem B-Planverfahren
erreichen, der letzte vom 22.6.16, doch der verstorbene Baustadtrat
Panhoff hatte die Auffassung vertretern, BVV-Beschlüsse seien für die
Verwaltung nicht bindendn und sie nicht umgesetzt.
Bürgerbeteiligung hat auch in der neuen Legislatur nicht stattgefunden!
Die Frage-Antwort-Spielchen auf drei Top-down-‚Bürgerinformations-Veranstaltung‘ nach dem Muster ‚
Bürger* fragen, Politiker* antworten‚
seien nicht im entferntesten ein geeignetes Beteiligungsformat gewesen.
Die Vorschläge von Bürger*innenseite seien entgegen anderslautender
Beteuerungen nur sehr sparsam und vor allem, was die Beibehaltung der
Verortung des Spielplatzes betrifft, ‚berücksichtigt‘ worden.
Nachdem B’90/Die Grünen den von der Ini formulierten
Wahlprüfstein zur Beteiligung
am Projekt im allgemeinen und einer Befürwortung ihres EWA im
besonderen anders als alle anderen Fraktionen, nur halbherzig
unterstützten, die Umsetzung der Beteiligungsbeschlüsse aber definitiv
zusicherten, in der neuen Legislatur jedoch weitere Monate verstreichen
ließen, ohne einen Beteiligungsprozess in Gang zu setzen,und überdies
eine Vielzahl von Versuchen der Ini, mit den beiden Vorhabenträgern
Jugendwohnen im Kiez
und VITA e.V. einerseits, den Zuständigen in der Bezirksverwaltung
andererseits in Kontakt zu treten, fruchtlos blieben, entschieden sich
die Bürger*innen, dieses höchst einseitigen politischen Austauschs
überdrüssig, zum EWA und sammelten dafür die stattliche Anzahl von über
1700 Unterschriften, wovon über 1200 als gültig anerkannt wurden.
Kiezerhalten will das Projekt NICHT verhindern!
Der Ini-Vertreter trat dem virulenten Gerücht entgegen, sie hätten
etwas gegen die sozialen Zwecke der Einrichtung. Die hatte das
Heinrich-Plett-Haus immer schon, einst für Senior*innen, jetzt für
psychisch Kranke, Geflüchtete, Wohnungslose, d.h. die Zielgruppen haben
sich lediglich erweitert, und hier von Ablehnung zu sprechen, ist eine
Behauptung, welche die Ini nicht mehr zu wiederholen bittet. − Das war
angesichts der üblen Nachrede auffallend friedfertig formuliert −, und
half auch leider gar nichts, wie der weitere Sitzungsverlauf zeigte.
Über den hohen und dringlichen Bedarf an Wohnraum gerade für ’soziales Wohnen‘ war der Sprecher für den
Kiezerhalt
durchaus informiert: die freien gemeinnützigen Träger, Vereine und
Verbände können auf dem ‚freien Markt‘ der explodierenden Mieten nicht
mehr mithalten, werden wie Gewerbemieter behandelt und gekündigt und
müssen jetzt dringend Alternativen finden. − Doch warum auf diesem einen
Gelände zusätzlich zu den bestehenden 4500 qm noch Neubauten mit 10.000
Quadratmeter Nutzfläche entstehen sollen, erschließe sich nicht ohne
weiteres. Nur ein Teil solle offenbar sozialer Nutzung dienen, doch die
Frage, wofür der andere gebraucht werde, seien in den spärlichen
Gesprächen unbeantwortet geblieben.
Ist diese Konzentration Inklusion?
Hunderte Plätze für therapeutisches Wohnen, betreutes Jugendwohnen,
Seniorenwohnen, Wohnen von Geflüchteten in einem großen Komplex als
Inklusionsprojekt, als „Inklusion in den Sozialraum“, wie es das Gesetz
verlangt? Eine derartige Massierung lasse doch eher Gegenteiliges
befürchten. − Diese These übrigens, ziemlich aus dem Zusammenhang
gerissen und fehlinterpretiert, ließ sich natürlich trefflich gegen die
Initiative wenden. [s.u.] − Wahrscheinlich wird es außerdem um die
Schaffung ganz ’normalen‘ sozialen Wohnraums gehen, vermutet die
Initiative.
Primär sollte man sich nach deren Auffassung des Mottos der
Stadterneuerung aus den 80er erinnern und ‚Sanierung vor Neubau‘ setzen,
dann aber auf behutsame Ergänzung. − Es geht um die beste Lösung für
alle, brachte es der Ini-Vertreter auf den Punkt!
Verabsolutierung eines reduzierten Begriffs vom Sozialen
Die derart unspezifizierte soziale Nutzung jedoch werde zum einzigen
Kriterium verabsolutiert; Fragen von Stadtökologie und Mikroklima, Baum-
und Naturschutz, werden, wenn überhaupt aufgeworfen, dann als völlig
nachrangig behandelt. Ein Baumgutachten musste die Initiative selbst
beauftragen.
Nichtsdestoweniger sei unablässig vom Abwägen die Rede. Gerade mit
einer transparenten, diskursiv nachvollziehbaren Abwägung verschiedener
Kriterien und Schutzgüter steht und fällt jedoch jede ernstzunehmende
Beteiligung. Dass hier stattdessen überhaupt kein Abwägungsprozess unter
Beteiligung der Betroffenen stattgefunden habe, sei das entscheidende
Defizit der gleichwohl behaupteten Bürgerbeteiligung und müsse
zumindest, in welchem Format auch immer, schleunigst nachgeholt werden. −
Hier wurde eigentlich schon deutlich, dass die BI weder ‚zurück auf
Null‘ will noch auf ein jahrelanges Verfahren erpicht ist. Sie will
lediglich wesentliche Aspekte einbringen, die bislang unberücksichtigt
blieben.
Dem einzigen Planungsbüro, das über zehn städtebauliche
Konzept-Versionen entwickelt haben soll, habe jedenfalls anfangs etwas
von gründerzeitlicher Blockrandbebauung vorgeschwebt; auch der Architekt
des Bauherrn, Stefan Klinkenberg, dessen Ursprungsentwurf vor dem
Baukollegium keine Gnade gefunden hatte, sei von dem schließlich
ausgewählten Konzept zunächst wenig begeistert gewesen, preise es jetzt
hingegen als Nonplusultra.
Wurde den gegenwärtig im Heinrich-Plett-Haus wohnenden
pflegebedürftigen Senior*innen überhaupt mitgeteilt, dass sie sich auf
eine bis zu zehnjährige lärmige und staubige Bauzeit einzurichten haben?
Der Ini-Vertreter bat die Ausschüsse und die BVV um eine
bürgerfreundliche Entscheidung unter Einbeziehung der Betroffenen, wie
es von der Konstellation R2G auf Landes- wie Bezirksebene ja ständig
beschworen und auch erwartet werde.
Der Ernst-May-Experte
Florian Seidel, BDA
und Mitunterzeichner des
Offenen Briefs von Unterstützer*innen
aus der Fachwelt, Florian Seidel, plädierte für einen wertschätzenden
Umgang mit dem Gebäude des seinerzeit sehr prominenten Architekten Ernst
May. Zusammen mit Walter Rossows Gartenanlage sei es ein bedeutendes
Zeugnis der Nachkriegsarchitektur in Berlin, mit einer besonderen
Verschränkung von Innen- und Außenraum. Seidel sah noch ganz ungehobene
Potentiale dieser Idee von Stadtlandschaft, die es zu entdecken gelte.
Architektonische Erzeugnisse Mays sind nicht solitär, sondern immer
eingebunden in ein gesamtstädtisches, heute sagen wir [hoffentlich!]
stadtökologischen Konzept und bedeuten u.a. gerade eine Abkehr von
gründerzeitlicher Blockrandbebauung. − In den 20er Jahren war Ernst May
in Frankfurt ein Pionier des sozialen Wohnungsbaus wie Bruno Taut in
Berlin.
Es braucht ein Vermittlungsverfahren
Wie auch die übrigen Mitunterzeichner*innen plädierte Seidel für ein
Vermittlungsverfahren der verschiedenen Interessen mit den Zielen einer
behutsamen Weiterentwicklung des Ensembles, des Erhalts der südlichen
Freiräume und einer Partizipation, die ihren Namen verdient.
Bürgerbeteiligung ist keine Planungsverschleppung!
Claudia von der Ini für den Kiezerhalt
Claudia Batholomeyczik von der Initiative betonte, dass diese nicht
für den über dreijährigen Planungsvorlauf verantwortlich gemacht werden
könne, denn die anfängliche Planung sei ja gerade wegen ungenügender
Achtung dieses wichtigen städtebaulichen Erbes umgeworfen und das
Baukollegium eingeschaltet worden. Die vorliegende Planung tue jedoch
genau dasselbe, wenn die Rossow-Anlage bei Fällung von vierzig, fünfzig
oder sechzig Bäumen fast komplett überbaut werden solle. Da sei doch
etwas schiefgelaufen?
[Die beträchtliche Divergenz zwischen den Zahlen der zu fällenden Bäume resultiert daraus, dass Planer und Amt nur die 42 nach
Baumschutzverordnung geschützten
(80cm Durchmesser in 130cm Höhe), die Ini aber auch Bäume geringeren
Durchmessers zählt, (wie es ehemals ja auch die seither rhythmisch
verwässerte
BaumSchVOBln
tat; das jetzt im neuen allgemeinen Berliner Baumkataster aufgegangene,
besser: darin eingedampfte digitale Baumkataster, welches das
Mediationsforum im Zuge des Landwehrkanal-Verfahrens für dessen Ufer
erstellen ließ, zählte alle Bäume ab 30 cm Umfang in genannter Höhe!)
inkl. solche, bei denen es sich um „durch mangelnde Pflege zu Bäumen
aufgewachsene“ Hecken handelt, wie Verschiedene so schön formulierten.]
Ein Bauherr wider Willen
VITA-Geschäftsführer Dr. Weatherly
Für die beiden Vorhabenträgern sprach der Geschäftsführer vom VITA e.V. (
Verein für Integrative Therapeutische Angebote),
Dr. John Weatherly, der sich als Bauherr wider Willen vorstellte, weil
Land und Bezirk ihren Verpflichtungen, genügend Plätze für
pflegebedürftige alte und psychisch kranke Menschen bereitzustellen,
nicht nachkämen. Das Gesetz aber verlange ‚Inklusion in den Sozialraum‘
und ‚Teilhabe‘.
Ex-Bürgermeister Schulz habe 2013 angefragt, ob VITA zusammen mit
weiteren Trägern die Einrichtung in der Blücherstr. 26 bewirtschaften
könnte. Zusammen mit
Jugenwohnen im Kiez e.V. habe man das
Gelände unter der Maßgabe, das Plett-Haus zu sanieren und mindestens
zwei weitere Gebäude mit 7500 m² Nutzfläche zu errichten, vom
Liegenschaftsfonds erworben.
Die Bauvoranfrage mit einem Entwurf des Architekturbüros Klinkenberg
wurde jedoch abgewiesen und, wie schon erwähnt, das Baukollegium bemüht.
Hier wollte man sich am sog. Bikinihaus orientieren und engagierte ein
im Senatsauftrag öfter tätiges Planungsbüro, nämlich
Clarke und Kuhn.
Dessen Entwurf wartete dann mit vier neuen Gebäuden auf und fand in
Sachen Kubatur und Sichtachsen den einhelligen Beifall des Kollegiums.
Viereinhalb Jahre suche man inzwischen mit
Jugendwohnen im Kiez
nach einer Lösung, habe, von weniger Stockwerken bis zur Dachbegrünung,
so weit wie möglich alle Wünsche berücksichtigt, zugleich jedoch
vierzig Wohnplätze im Bezirk verloren. − Und ungeachtet des von der
Initiative an den Tag gelegten Problembewusstseins, erläuterte Dr.
Weatherly die missliche Lage, worin sich freie Sozialträger auf dem
freien Wohnungsmarkt befinden, mit viel Liebe zum Detail erneut. Und
nach ihm sollten noch mehrere Kolleg*innen aus Politik und Verwaltung
für Reprisen sorgen.
Der lange Vorlauf habe das Projekt bereits um dreißig Prozent
verteuert (von sechs auf über acht Millionen Euro), und wenn die
Auseinandersetzungen noch länger dauerten, stiegen sie weiter − ebenso
wie der Bedarf. − Im VITA-Neubau an der Schleiermacherstraße seien
siebzig Einraumwohnungen à dreißig Quadratmeter und zehn bis fünfzehn
Mehrraumwohnungen für Wohngemeinschaften geplant.
Architekt Klinkenberg
Architekt Stefan Klinkenberg
weiterhin für die beiden Träger tätig, trat u.a. an, um etwas die
Angst vor der Naturzerstörung zu nehmen. Er sprach von 107 geschützten
Bäumen auf dem Gelände, von denen die Fällung von 26 beantragt worden
sei. Die zu rodende ungeschützte Vegetation erwähnte er wohlweislich
nicht.
Im neuen Gebäude von
Kiez e.V. an der Blücherstraße soll eine
KiTa 80 Kindern Platz bieten und in den oberen Stockwerken betreutem
Einzelwohnen sowie Jugendwohngruppen. Der Bauantrag mit dem
abgestimmten(!) städtebaulichen Konzept sei eingereicht, und man hoffe,
im Herbst beginnen zu können, so dass die KiTa Anfang 2019 bezugsfertig
sei. Die Fördermittel stünden bereit. Die beiden Gebäude, die zunächst
entstehen sollen, kämen auf eine recht niedrige GFZ von 1,5.
(Interessanter für den Grünflächenerhalt ist natürlich die
voraussichtliche GRZ bzw. Angaben darüber, wie viel vom Grundstück noch
offen bleibt, wenn alle vier Neubauten errichtet sind.)
Der Entscheider
Stadtrat Florian Schmidt
Baustadtrat Florian Schmidt fehlten am Vortrag von Florian Seidel
Hinweise, was denn das Ensemble, das ja, sowohl was Bauwerk als auch
Gartenanlage betreffe, nicht unter Denkmalschutz steht, denn so
schützenswert mache. Der alte Baunutzungsplan habe eine
Blockrandbebauung vorgesehen, worüber sich Ernst May mit seiner modernen
Nachkriegsplanung der 60er Jahre hinweggesetzt habe. (Dr. Schulz wollte
bekanntlich zurück zum Blockrand.) Der Bezirk habe sich gerade wegen
der städtebaulichen Besonderheit des Gebäudes ans Baukollegium gewandt,
d.h. hier habe schon ein Abwägungsprozess stattgefunden, den man, weil
er nicht protokolliert wurde, doch nicht gleich in Abrede stellen dürfe.
Transparent-nachvollziehbares Abwägen als notwendige Beteiligungsbedingung
Diese Aussage muss erstaunen, denn, wie die Sprecher*innen von
Kiezerhalt in Erinnerung gerufen hatten, ist ein transparenter und
nachvollziehbarer Abwägungsprozess der verschiedenen Interessen und
Belange das A & O fürs Gelingen von Beteiligung.
Das Baukollegium habe verschiedene Planungsbüros eingeladen, sich dann aber mit nur einem Entwurf, eben dem von
Clarke und Kuhn,
näher befasst, den es, wie erwähnt, in zahlreichen Varianten gegeben
habe. Die letztlich ausgewählte stehe etwa in der Mitte zwischen
Gartenstadt und Gründerzeit.
Doch diese Auswahl fand nun mal hinter verschlossenen Türen statt,
das Baukollegium unter Regula Lüscher tagte nicht öffentlich, m.a.W.
Essentials echter Beteiligung wurden − und damit diese − selbst
versäumt! Dass der Stadtrat die ‚Infoabende‘, an denen er selbst gar
nicht teilgenommen hat, als Beteiligung gewertet wissen will, muss bei
jemand, der selbst Berlins Initiativen-Szene entstammt, verwundern. Er
räumte ein, dass er an Prozessen und Entscheidungen nicht beteiligt war
und auf Darstellungen Dritter vertrauen müsse, insofern nicht sagen
könne, wo zwischen der Behauptung, der Bezirk plane
top down, und
jener, die Initiative wolle gar keine Baumaßnahme, die Wahrheit liege,
um die es aber auch gar nicht gehe, sondern es stünden sich einfach
unterschiedliche Präferenzen gegenüber.
Genau so ist es! Und deshalb muss es auch, und gewiss nicht nur nach
unserer Meinung, ein Verfahren geben, das diese verschiedenen
Präferenzen erfasst und auf diskursivem Weg die Interessen hinter den
gegnerischen Positionen herausarbeitet und sie in einem
Aushandlungsprozess, in der jede Seite nehmen, aber auch geben muss, zu
vermitteln versucht. Ziel sind Lösungen, mit denen alle Seiten gut leben
können, kurz: die klassische Ausgangslage und der notwendig zum Ziel
gehörige Weg einer Mediation, eines Vermittlungsverfahren, wovon Florian
Seidel stellvertretend für seine Kolleg*innen sprach!
Anhand eines Schwarzplans wollte Schmidt nachweisen, dass von einer
massiven Verdichtung keine Rede sein könne, unterstrich jedenfalls die
Feststellung, dass es ein Reset mit ihm nicht geben werde, denn die
sozialen Bedarfe stünden eindeutig im Vordergrund. Eine Abwägung
zwischen ‚Denkmal‘, Spielplatz, sozialer Nutzung und Natur habe es
durchaus gegeben, doch im Zuge der Entwicklung der letzten Jahre breche
die ‚kommunale Infrastruktur‘ weg, würden gefährdete Gruppen bekanntlich
aus der Innenstadt verdrängt, und ein Teil des sozialen Bedarfs könne
nun auf diesem Gelände kompensiert werden. Kommunale Infrastruktur, so
sei auf einer Klausur(!) festgelegt worden, habe eindeutig Priorität,
auch ggü. Wohnen und − Beteiligung?
Überholtes Verständnis kommunaler Infrastruktur
Mag sein, dass ‚kommunale Infrastruktur‘ ein feststehender
terminus technicus
ist, aber dass er die ‚Grüne Infrastruktur‘, wozu vor der Wahl gar ein
ausgewachsener StEP angekündigt worden ist, ausschließt, ja ihr geradezu
entgegengesetzt wird, sollte und müsste von ‚links-grün‘ aus kritisiert
anstatt reduktionistisch ausgelegt zu werden!
Auf der Galerie
Das Versagen des neoliberal verschlankten Staats in Fragen der
öffentlichen Daseinsfürsorge in den letzten Jahren war beachtlich. Ist
es jedoch wirklich vertretbar und im Allgemeininteresse bzw. konkret im
Interesse des Quartiers, die erwartbaren schlimmen Folgen abermals auf
Kosten der Lebensqualität − man möchte fast sagen: Unschuldiger sich
auswirken zu lassen? Ohne zivilgesellschaftlichen Einsatz hätte, als die
Refugees kamen, so einiges Soziale gar nicht mehr funktioniert,
doch wenn man sich endlich dazu herbei lässt,
Unterbringungsmöglichkeiten für sie zu organisieren, muss in Lankwitz
ohne Not der halbe Leonorenpark fallen. In der Ohlauer Str. soll für die
dort geplante Einrichtung u.a. eine alte kerngesunde Platanen-Allee
weichen sowie ein Baum, der WWII überstand und in dessen Schatten
sommers die Geflüchteten beisammen sitzen, die in öffentlichem Besitz
befindliche HOWOGE und ihre Planung nicht überstehen. So krude es sich
anhören mag, aber es scheinen nur noch Quantität, Soll- und Kennziffern
gefragt.
Dieses eindimensionale, unterkomplexe Verständnis von sozialem Bedarf
ist in diesen Zeiten multipler Krisen höchst bedenklich. Außerdem wird
weder einbekannt, dass ein Abwägungsprozess nach dem Muster von CETA-
und TTIP-Verhandlungen inakzeptabel ist, noch wird die
sozial-ökologische Dimension oder die Problematik ökologischer
Gerechtigkeit gesehen, von der doch sonst landauf, landab die Rede ist.
Bevölkerungsgruppen mit besonderen gesundheitlichen und/oder sozialen
Problemen sollen nicht aus der Innenstadt verdrängt werden, statt ihrer
jedoch Grün- und Freiflächen, so als hätte ausgerechnet diese Klientel
in ihren Einzimmerwohnungen daran keinen Bedarf; so als hätte Stadtnatur
keine eminent soziale und gesundheitliche Bedeutung −, wenn man denn
von ihrem Eigenwert sowie ihrer unersetzlichen Funktion für die
nicht-menschlichen Lebensformen im Siedlungsraum bedenkenlos
abstrahiert.
Die „naturtechnisch wertvollsten Bäume“ Ecke Schleiermacher-/
Blücherstraße blieben schließlich erhalten, tröstete der Stadtrat. Die
Stillung der sozialen Bedarfe aber könne nicht weitere Jahre warten,
sondern müsse jetzt geschehen. − Oh je!
Statt Gentrifizierung der Einkommensschwachen und auf besondere
Unterstützung Angewiesenen soll sukzessive die Stadtnatur ausgedünnt und
damit ein essentielles Stück Lebensqualität und Erfahrungswelt aus der
Innenstadt verdrängt werden? Darauf aber haben gerade auch die
betroffenen Zielgruppen, seelisch Erkrankte und Traumatisierte, und
nicht zuletzt die Kinder unbedingten Anspruch! Diese Betonierung von
Stadtnatur kann in niemandes wohlverstandenem Eigeninteresse liegen,
kann nicht zukunftsfähig oder enkeltauglich sein!
Entscheidung längst gefallen!
Stadtrat Schmidt hat für sich längst entschieden, beurteilt mit
seinem Rechtsamt im Unterschied zum Anwalt der BI, Karsten Sommer, den
Bauvorbescheid als rechtskräftig, fügte allerdings noch hinzu, das Wort
von der ‚Ghettoisierung‘ habe bei ihm letztlich den Ausschlag gegeben,
also die Rede vom Verfehlen des Ziels der Inklusion gerade dadurch, dass
eine so große Zahl gesellschaftlich auf besondere Unterstützung
Angewiesener in einem einzigen Gebäudekomplex konzentriert werde.
Als Positivbeispiel hatte der Initiativen-Vertreter übrigens das Haus
am Urban genannt, wo es zwei Einheiten für betreutes Wohnen und zwei
für Wohngemeinschaften gebe, eine überschaubare Größe, die das Umfeld zu
integrieren, die es zu inkludieren vermag.
Die ernüchternde Einlassung des Stadtrats indessen signalisierte das
ungefähre Gegenteil von Ergebnisoffenheit, damit auch die Entscheidung
der Ausschüsse über Antrag und Änderungsantrag entwertend. Der
Beteiligungsprozess, der im eigentlichen Sinn noch gar nicht begonnen
hat, wurde damit mehr oder minder für beendet erklärt. Doch dies sollte
noch drastischer erklärt werden [s.u.]
[Exkurs: Uns erscheint es, wie schon angedeutet, höchst
befremdlich, die gar nicht zu überschätzende positive Wirkung, die eine
kleine, unmittelbar wohnungsnahe Parkanlage hat (und nicht einzelne
ökologisch besonders wertvollen Bäume), ob nun in sozialer, in
psychologischer und/oder gesundheitlicher Hinsicht, allein was Atemluft
und Mikroklima betrifft. Warum gibt es, um auf KiTa und Jugend zu
kommen, denn Naturerfahrungsräume, Waldschulen und dergleichen? Der
Aggressionen abbauende Effekt von Naturerleben ist vielfach
nachgewiesen. Und müssen wir das tatsächlich Kreuzbergs Grünen
erklären?!
Seit der Zerstörung der Gleisdreieck-Wildnis, worum uns Kenner*innen
und Enthusiasten* in aller Welt beneideten, ist in dieser Hinsicht kein
Lernfortschritt zu verzeichnen. Die jetzige Fraktionssprecherin im AGH,
Antje Kapek, hatte seinerzeit die Unterschutzstellung des
Gleisdreieck-Wäldchens beantragt, Ex-Bürgermeister Franz Schulz nach dem
artikulierten Bürgerwillen die Pappeln im Ehem. Luisenstädtischen Kanal
nicht angerührt, obwohl auch damals die Fördergelder schon warteten.
Würde von der gegenwärtigen grünen Fraktion jemand noch so handeln?!
Damals, so müssen wir rückblickend leider sagen (und natürlich gab es
auch in den Nullerjahren manches nachdrücklich zu kritisieren, aber alle
standen ziemlich am Anfang!), damals nahmen die Grünen
Bürgerbeteiligung, zivilgesellschaftliches Engagement, Formen direkter
Demokratie einfach noch ernst!.
Ende des Exkurses.]
Die SPD gibt sich bürgernah und beteiligungswillig
Der Bürgerdeputierte der SPD-Fraktion, Volker Härtig, bedauert die
unglückliche Planungsgeschichte. Ursprünglich sei es nur um Sanierung
und vernünftiges Bewirtschaften gegangen. Und dass ein Denkmal nur eines
sei, wenn es in der betreffenden Liste aufgeführt werde, bestreitet
Härtig: der Vielzahl von Denkmalwürdigem in Berlin zeige sich die
chronisch unterbesetzte ODB doch bloß nicht gewachsen.
Das Baukollegium sei nur ein beratendes Gremium, das Vorschläge
mache. Das vorliegende städtebauliche Konzept, mit dessen Entwicklung,
wie gesagt, nur ein einziges Büro betraut wurde, findet Härtig, der
dagegen für ein Wettbewerbsverfahren votiert, „extrem dürftig“ bis
„schlecht“. (Sein Pateigenosse sprach in der Debatte von ungenügender
Aufstockung, wenn man nach der Bauordnung geht −, doch das Baukollegium
soll den Anfangsentwurf u.a. gerade wegen zu hoher Gebäude und
verstellter Sichtachsen zurückgewiesen haben.)
Härtig konstatiert generell immer denselben Ablauf: Erst werden Jahre
mit Stümpereien vertan, dann drängt die Zeit, dräuen die Sachzwänge.
(Also gerade kein Gegenstück zum sog.
Beteiligungsparadoxon:
die Anwohner*innen waren sofort am Ball, d.h. seit 2015, als sie nach
dreijähriger unglücklicher Planungsgeschichte endlich davon Wind bekamen
−, nur um dann anderhalb Jahre gegen die Wand zu laufen. Ein ganz
anderes Parodox! (Zu irgendeinem Zeitpunkt hatte Schmidts Vorgänger gar
Alternativentwürfe von
Kiezerhalt gefordert.)
Sehr sportlich in Sachen Zeitbedarf wünscht sich der Bürgerdeputierte
das Nachholen wenigstens eines kleinen Gutachterverfahren, das
mindestens bis Jahresende Alternativentwürfe entwickelt sowie ein
reguläres B-Planverfahren mit ordentlicher Abwägung der betroffenen
Schutzgüter. − Später brachte die SPD-Fraktion einen entsprechenden
Antrag ein, der aber erst im Stadtentwicklungsausschuss am 31.5.
abgestimmt werden soll. [s.u.]
Der Baustadtrat kennt schon das Ergbnis
Über eine Reduktion der Nutzfläche will Baustadtrat Schmidt nicht mit
sich verhandeln lassen, hier gebe es nichts mehr abzuwägen, der Bedarf
sei noch viel größer. − Ganz zweifellos, doch an dieser Stelle im
gewünschten Maß halt nur teilweise zu befriedigen. Hier interessieren
mal genauere Angaben darüber, wie viel Grün und natürlicher, zugleich
geschützter Freiraum für einen Traumatisierten therapeutisch am
zuträglichsten sind. − Und man könnte auch fragen: Gehört Kreuzberg
nicht zu den am höchsten verdichteten, grün-defizitärsten Stadtteilen?
Spielen also hier, aus welchen Gründen auch immer, die Herstellung
gleichartiger Lebensverhältnisse, ökologische Gerechtigkeit, Anpassung
an die Klimawandelfolgen etc. eine minder wichtige Rolle, weil die
‚Zielgruppen‘ vor allem hier erst einmal ein Dach über dem Kopf brauchen
und zu oft genau dort, wo vorher ein fünzigjähriger Baum stand?
Der Stadtrat kann sich allenfalls eine wissenschaftlich begleitete
„Qualifizierung der Außenflächen“ vorstellen, die zur Nachbarschaft hin
„geöffnet“ werden könnten − etwa auch noch auf Kosten der Vegetation?! −
sowie ansonsten alle erdenklichen ökologischen Aufwertungen von
Fassaden- bis Dachbegrünung. (Das diese nie & nimmer Baumbestand
kompensieren können, weshalb auch nicht der Anschein erweckt werden
sollte, wird hoffentlich noch klarer.)
Zur Verfahrensebene, der Art und Weise der Organisation von
Beteiligung, in der Vergangenheit zumindest auf Bürger*innenseite
weitestgehend als unzureichend empfunden, künftig also anders und besser
anzugehen, sagte Baustadtrat Schmidt leider nichts.
Moralkeulen ohne Ende
Auch Manuel Sahib (Grüne) vermisste, sichtlich betroffen, den
sozialen Aspekt in Härtigs Beitrag, schilderte erneut die allseits
bekannten Defizite, wog ebenfalls nicht ab, sondern stellte das betreute
Wohnen für Behinderte als in diesem Kontext einzig zu berücksichtigende
Staatsziel dar.
„Der Garten ist wichtig, doch wo sollen die Menschen hin?“
erinnerte ein wenig ans Ausspielen der Ökonomie (Arbeitsplätze) gegen
die Ökologie; jetzt ist augenscheinlich eine unterkomplexe, kupierte
Form des Sozialen angesagt und scheint noch immer nicht begriffen, dass
die Ökologie Basis alles anderen ist. Viele Menschen in dicht gestellten
Betonschachteln zu verstauen, funktioniert auf Dauer nur schlecht. Und
für die Dauer bauen wir, nicht nur für die nächste Legislatur, was
jedoch zuweilen sogar zu bedauern ist: Was da einmal bebaut ist, wird
nur in den allerseltensten Fällen entsiegelt, geschweige wieder zu
‚Natur‘: der Landschaftsverbrauch ist irreversibel und D. täglich mit
ca. neunzig Hektar dabei. − Die Zahlen für Berlin wären hier übrigens
auch interessant.
Änderungsantrag der Grünen unwidersprochen
Der grüne Änderungsantrag zum EWA hob konsequenterweise auf
§ 19 der UN-Behindertenrechtskonvention
ab, dessen Berücksichtigung gefordert wird und wogegen, kaum
überraschend, auch niemand Einwände erhob. Dass es sich in Wirklichkeit
anders verhält, wird freilich auf diese Weise insinuiert.
EWA mit Änderung | Fotos zum Vergrößern bitte anklicken!
Von Partizipation war in Manuel Sahibs Ausführungen ebenfalls an
keiner Stelle die Rede; er verließ nie das, was er für die allein
zutreffende Beschreibung der Sachebene hält.
Als müsste gerade in unserem, wie gesagt, grün-defizitären Bezirk und
angesichts wachsender Wichtigkeit ausreichender Grünversorgung jeder
Pocket Park
als potentielles Grundstück für Sozialbau geprüft werden! Nicht einmal,
dass es hier einen brisanten Konflikt gibt, wurde zugestanden.
Eine Anwohnerin erinnerte daran, dass es angesichts des spekulativen
Leerstands im Bezirk mit dem nötigen politischen Willen doch ganz andere
rechtliche Möglichkeiten geben müsse, um endlich für bezahlbaren
Wohnraum auch und gerade für soziale Zwecke zu sorgen!
Neubau zur Lösung der Wohnungsnot und v.a. des Mietenproblems
rangiert auch bei Stadtsoziologen und -ökologen nicht an erster und
schon gar nicht an Stelle wertvollen, weil zusammenhängenden
Baumbestands. Die Zeit für solche Fehlentscheidungen ist um. In Berlin
kann angesichts der historisch bedingt höheren Reserven halt noch länger
weitergemacht werden.
Die Bürgermeisterin hob die Diskussion aus den Angeln
Bürgermeisterin Monika Herrmann
Der Auftritt von Bürgermeisterin Monika Herrmann bildete
gewissermaßen die Peripetie, den Kipppunkt der Veranstaltung. Frau
Herrmann machte deutlich, dass sie den überwiegenden Teil der
Anwesenden, besonders aber der Kritiker*innen für sozial abgesichert,
mit günstigem Wohnraum versorgt und also für das hält, was man gemeinhin
‚privilegiert‘ nennt und implizierte damit Zweifel an der zureichenden
Sensibilität und Empathie der Mitgestaltung Fordernden für die
dringliche soziale Problematik, der das BA derzeit gegenübersteht. − Mit
Blick auf die immerzu wiederholten Versicherungen, nicht etwa gegen das
Projekt an sich zu sein, sondern nur die vorgesetzten konkreten
Umsetzungsentwürfe und die Handhabung bzw. Nichtexistenz der
Öffentlichkeitsbeteiligung diese lange Zeit über zu kritisieren, eine
überholte, überflüssige Einlassung!
Der Senat ist schuld
Der Bezirk selbst, so bestätigte die Bürgermeisterin, sei 2012 auf
den sozialen Träger zugegangen, weil schon damals „händeringend“
Wohnraum gesucht wurde. − Dass mithin schon fast fünf Jahre Hände
gerungen werden, ist angesichts des gesetzlichen Auftrags in der Tat
peinlich −, aber an Michael Müller wurde immer wieder, wenn auch
vergeblich geschrieben.
Wenn nach langen Jahren des Stillstands in einem konkreten Fall
endlich soziale Einrichtungen saniert, erweitert oder neu errichtet
werden sollen, die Bestandsmieter*innen erst vor vollendete Entwürfe zu
stellen und auch unter Missachtung zweier BVV-Beschlüsse nicht
angemessen zu beteiligen, um ihren daraufhin wenig überraschenden
Protest als aus partikularen Interessen (NIMBY) gespeiste, empathielose
Verhinderungshaltung Privilegierter zu diffamieren, ist einfach
unredlich. Viele empfanden das Niveau dieser Anwürfe als unsachlich,
respektlos, kindisch und schwer erträglich!
Wie sollen unter solchen Prämissen, mit Aufreißen solcher Gräben das
Quartier, der Bezirk, die Stadt denn ‚gemeinsam‘ gestaltet werden?! Hier
geht’s mitnichten ums Schließen einer Schere, sondern weitere Spaltung!
Stimmungsmache
Die Engagierten mussten sich der Heuchelei bezichtigen lassen, die
jederzeit für die Erfüllung sozialer Bedarfe eintritt, wenn es nur weit
genug entfernt von der eigenen Wohnstatt geschieht. Solche, bloßer
Stimmungsmache dienenden, polemischen Unterstellungen müssen jedes
Gesprächsklima vergiften, doch dieses Risiko ging Frau Herrmann leider
ein. Schmerzlich vermissten wir hier eine ordentliche Moderation, denn
der stellv. Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, Dr. Weigelt
(Grüne), der die Sitzung leitete, ließ die Exekutive gewähren und sah
viel zu lange zur Intervention keinen Anlass, obwohl die Atmosphäre von
Minute zu Minute tumultöser aufwallte.
Und als die Bürgermeisterin in anklagendem Tonfall auch noch auf
(anonyme?) Briefe zu sprechen kam, worin ihr, wenn sie auf einem Gelände
mit Behinderten eine KiTa errichten lasse, Klage angedroht werde, weil
sie damt das Kindeswohl gefährde − eine unstreitig menschenverachtende
Behauptung −, wurde das Auditorium nach sprunghaftem Anstieg des
Geräuschpegels vom Sitzungsleiter zur Ruhe ermahnt und dazu, Frau
Herrmann aussprechen zu lassen…
Beschließt Ihr ruhig, wir haben längst fertig!
Anstatt endlich Ross und Reiter zu nennen, ließ die Bürgermeisterin,
nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, auch noch wissen, dass
die BVV jetzt ruhig Anträge diskutieren, abstimmen und beschließen
könne: das BA aber habe in dieser Angelegenheit bereits eine eindeutige
Position(!): dass nämlich an dieser Stelle eine KiTa gebaut und die
fraglichen Zielgruppen untergebracht würden − als habe irgend jemand
anderes gefordert! −, sprach’s, erhielt Beifall von sicher nicht
unterprivilegierter Seite und — ging ab.
Dass hier ein von über 1200 Menschen mitgezeichneter EWA (nach
§ 44 BezVerwG)
zur Diskussion und Beschlussfassung stand, wofür privilegierte
Engagierte beharrlich viele Tage und Wochen ihrer Freizeit ehrenamtlich
aufgewendet hatten und der ein wichtiges Instrument direkter Demokratie
ist, schien da nicht die mindeste Rolle zu spielen. − Und was die
Sachebene betrifft, müssen wir offenbar ausgerechnet den Xhainer Grünen
zurufen: Mensch kann nicht links sein, ohne grün zu sein!
Noch mal zur Mediation
Dieses unwürdige Schauspiel war für uns wahrhaftig ein bestürzendes,
enttäuschendes Erlebnis! Positionen − ums zu wiederholen − stehen ganz
am Beginn eines Beteiligungsprozesses: Diese scheinbar unversöhnlich
aufeinander prallenden, unvereinbaren Positionen der verschiedenen
Stakeholder gilt es, im gleichberechtigten, rationalen Diskurs in ihrer
Starrheit und Härte argumentativ aufzubrechen, zu dekonstruieren, um so
nach Möglichkeit die Motive, Interessen und Bedürfnisse dahinter
freizulegen, dann nach gemeinsamen Schnittmengen zu forschen und dort,
wo partout keine Vermittlung möglich ist, ein Verfahren des Gebens und
Nehmens zu vollziehen, wobei die eine Seite dort nachgibt, wo es für sie
nicht ums Ganze geht, während die andere(n) ihr bei Dingen
entgegenkommt(en), woran ihr Herzblut hängt.
Soll heißen, nicht Kompromisse auf niedrigstem gemeinsamem Nenner
sind gefragt, sondern ein möglichst breiter Konsens über Lösungen, mit
denen alle gut leben können. Auf diese Weise wird die Möglichkeit zur
Akzeptanz auch dessen geschaffen, was man eher weniger goutiert, weil
man dafür an anderer Stelle ja auch einen Mehrwert erhält.
Das Gebaren der Frau Bürgermeisterin, die auch mal vom nötigen
‚Paradigmenwechsel‘ sprach, weckte demgegenüber den starken Verdacht,
als würde da eine endlich überwunden geglaubte Basta-Politik reanimiert.
− Trübe Aussichten fürwahr!
Bürgermeisterin Monika Herrmann
Nach dem Rückzug des Bezirksamts wogte die Debatte noch eine Weile
hin und her, wurde wieder und wieder geschildert, dass der Bezirk keine
Zeit mehr habe, den sozialen Trägern 20% der Plätze abhanden gekommen
seien, 340 psychisch Kranken tagein, tagaus das Menschenrecht auf
selbstbestimmtes Wohnen verweigert, der Bezirk mutwillig an der
Erfüllung seiner Pflichtaufgaben gehindert werde und zuweilen
suggeriert, man könne jenem doch nicht erst seit gestern bekannten
dramatischen Übelstand morgen abhelfen, indem man nur dieser Planung das
Go gebe, was saturierte Beteiligungswillige, die all die Jahre
versäumter Partizipation nachholen wollten, unter billigender
Inkaufnahme von Menschenrechtsverletzung verhindern würden. Größtes
Kaliber, wo gibt…
Dieses, ab 20 Uhr im 2
-min.-Takt
ablaufende ermüdende Ping Pong war nur noch Zeitverschwendung. Spannend
wurde es erst wieder, als eine Bestandsmieterin zu Wort kam, der beim
Einzug, als noch das halbe Plett-Haus leer stand und es Raum zum
Umsetzen gegeben hätte, Sanierung versprochen wurde. Doch dann seien in
die anderen unsanierten Wohnungen Geflüchtete einquartiert worden und
von Sanierung sei keine Rede mehr, obwohl bspw. Gehbehinderte wochenlang
ihre Wohnungen in den oberen Stockwerken wegen defektem Fahrstuhl nicht
mehr verlassen konnten. Die Bestandsmieter*innen hätten auch gerne auf
dieser Veranstaltung erfahren, wie es damit weitergeht, erführen sie
doch sonst gar nichts.
Dies bestritt VITA-Geschäftsführer, Dr. Weatherly, energisch: alljährlich gäbe es Mieterversammlungen
. Ansonsten aber hätten er und seine Mitarbeiter*innen den Vorgaben des Bezirksamts folgen müssen.
Respektlosigkeit gegenüber ehrenamtlichem Engagement
Nachdem die Mitglieder der BI, aber auch andere Gäste spürbar
abgegessen ihre große Enttäuschung über das Verhalten insbesondere der
grünen Fraktionsmitglieder geäußert hatten (mächtig Anstoß erregte bei
manchen auch das demonstrative Surfen der Zuständigen auf ihren
Smartphones während Beiträgen und Aussprache) und Claudia Bartholmeyczik
zum Schlusswort ansetzte, um ein Mal mehr den zahllosen
Falschbehauptungen entgegenzutreten, verließ der Stadtrat prompt den
Saal. Der Verordnete Ralf Gerlich (Die Partei) wollte darafhin den
Abbruch der Sitzung zum EWA beantragen, da holten Parteifreunde eilig
den Baustadtrat wieder zurück.
Dann wurde zunächst über den grünen Änderungsantrag und nach dessen
Annahme über den so geänderten Einwohnerantrag abgestimmt und dieser
ebenfalls angenommen, wobei lediglich auffiel, dass die Mitglieder der
LINKE-Fraktion sich in allen Ausschüssen fast durchweg der Stimme
enthielten.
Eingedenk der Worte von Bürgermeisterin und Stadtrat können wir in
diesen Abläufen nurmehr bloßes Ritual sehen und den Beteiligungsprozess
am Ende, noch bevor er eigentlich begonnen hat.
Der Antrag der SPD zur Fortführung der stadtentwicklungspolitischen Diskussion wird im
Stadtentwicklungsausschuss
am Mittwoch, 31.5., 18 Uhr
im ehem.Rathaus Xberg.
abgestimmt, bei welcher Gelegenheit es auch um den erwähnten
Campus Ohlauer auf
dem Gelände der Gerhart-Hauptmann-Schule gehen soll. Auch hier dürfte,
nach dem Erlebten zu urteilen, die Entscheidung pro HOWOGE-Planung
längst gefallen und das Los der Baumbestands entschieden sein. Dennoch
und gerade darum laden wir alle Interessierte an diesem Beteiligungs-GAU
herzlich ins Rathaus Kreuzberg ein!
„Resignierte Menschen werden eine demokratische Gesellschaft nicht errichten, erkämpfen oder aufrecht erhalten wollen.“