Freitag, 1. Januar 2016

Pressemitteilung 03.09.2015


Pressemitteilung 03.09.2015

Nachbarschaftsinitiative wehrt sich gegen Grünflächen- und Baumvernichtung im nördlichen Bergmannstraßenkiez.
Schildbürgerstreiche im Kreuzberger Bezirksamt - zahllose Stadtbäume und ein Spielplatz sollen siebenstöckigen Neubauten weichen, um die Sicht auf die Rückseite eines Sechzigerjahrehochhauses zu erhalten.
Die neu gegründete Nachbarschaftsinitiative zur Kiezerhaltung (NizKe) hat sich zum Ziel gesetzt
- die grüne Oase an der Blücher- /Schleiermacher- /Fürbringerstraße zu bewahren
- den Spielplatz an seinem jetzigen kiez- und kinderfreundlichen Standort zu erhalten
- wertvollen alten Baumbestand zu sichern und deshalb u.a.
- den geplanten Grundstückstausch zu verhindern.
Vor circa drei Jahren wurde das ehemalige Altenwohnheim an der Blücherstrasse 26 mit dem dazugehörigen Grundstück vom Bezirk verkauft.
Ende Juni 2015 stellte Bezirksbaustadtrat Panhoff zusammen mit dem Käufer, der Blücher 26 Housing GmbH, die Baupläne vor. Das Bestandsgebäude aus den Sechzigerjahren soll erhalten bleiben, außerdem sollen auf dem Gelände vier Neubauten entstehen mit Wohneinheiten für betreuungsbedürftige Jugendliche und Ältere, sowie einer Kita.
Stolz wurde von den Verantwortlichen dieser Plan präsentiert, immerhin hätte man die Ansiedlung von Supermärkten oder den Bau von Luxuswohnungen verhindert. Allerdings müssten dafür viele der jahrzehntealten (und z.T. schon in die Neubauplanung der 60er mit einbezogenen) Bäume gefällt und überhaupt die zum Gesamtbaukonzept Ernst Mays gehörende Parkanlage (des berühmten Gartenarchitekten Rossow) zerstört werden.
Die bei Kiezbewohner_innen und Passant_innen äußerst beliebte grüne Oase an der Ecke Schleiermacher/Fürbringerstraße, die außer zum Spielen auch als Anwohnertreffpunkt und der Naherholung dient, würde verschwinden, der Stadtplatzcharakter ginge völlig verloren wenn der Spielplatz in den Innenhof des zu erschaffenden Neubauensembles verlegt würde.

Zu dem Thema hat die Bezirksverwaltung sogar ein Gutachten erstellen lassen, dass zu der absurden Erkenntnis kam, es sei für die Kinder besser, unter den Fenstern und Balkonen der zu betreuenden Bewohner auf einem schlecht zugängigen und nicht öffentlich einsehbaren Innenhof zu spielen, statt wie bisher unter Bäumen, in Sichtkontakt und mit Anbindung an die Nachbarschaft im Kiez.

Maximale Ausbeute an umbautem Raum auf Kosten des bestehenden sozialen Umfeldes und der Lebensqualität im Kiez ohne Berücksichtigung der Anwohner_inneninteressen, eine recht eindimensional anmutende Auslegung von Inklusion und Sozialverträglichkeit!
Die Bauträger der Blücher 26 erläuterten, dass es bereits eine ältere mit dem Bezirk abgestimmte Planungsvariante gegeben hatte, die ohne Spielplatzverlegung ausgekommen wäre. Dann jedoch ruderte das Stadtplanungsamt zurück. Es fordert jetzt den Erhalt einer „Sichtachse“ auf das Bestandsgebäude, entworfen von Ernst May, einem der prominenten Stadtplaner der bundesdeutschen Nachkriegszeit, auch bekannt als „Vater der Trabantenstädte“ (Die Welt). Das bestehende Altenwohnheim ist das einzige Ernst May-Gebäude in Berlin. Die geforderte Sichtachse soll allerdings auf die Rückseite des Hauses gerichtet sein, auf der sich Fenster zu Fluren und Wirtschaftsräumen befinden.
Die Ästhetik der baulichen Hinterlassenschaft Mays gilt in der Fachwelt als zweckdienlich, funktional - und überholt; als Kind ihrer Zeit. Als wegweisend und seiner Zeit voraus bewertet man hingegen seine „starke Betonung des Elements der Landschaft und der Grüngestaltung“ sowie die „Einbettung der Gebäude in Grünflächen und die innige Verschränkung des Wohnens mit dem Grün“.(1)
Besonders wichtig war Ernst May bei der Konzeption des Heinrich-Plett Hauses in der Blücherstraße 26 nach eigener Aussage sogar folgendes: „...die Architekten betrachteten es von Anbeginn als ihre Aufgabe, den Baumbestand(2) zu erhalten, der dann später von dem Gartenarchitekten Rossow
liebevoll in eine parkartige Gesamtanlage einbezogen wurde.“ (Ernst May 1969(3))
Die Bedeutung eines Projektes zu würdigen und dabei gleichzeitig seine Essenz zu zerstören, das könnte ein Streich aus dem Rathaus von Schilda sein. Dazu passt auch der Umstand, dass es eine grüne Bezirksregierung ist, die für die Errichtung von Neubauten eine innerstädtische Grünfläche mit altem Baumbestand zu vernichten plant.

Das Spielplatzgrundstück gehört nicht zu dem Areal, das an die Blücher 26 Housing GmbH verkauft wurde, es ist weiterhin im Besitz der Stadt und somit der Bürger_innen!
Um auf dem Spielplatzgelände also wie geplant in Blockrandbebauung einen weithin sichtbaren und den Kiez visuell domierenden siebenstöckigen Zweckbau zu errichten, müsste ein Grundstückstausch stattfinden, Spielplatzareal an öffentlicher Strassenecke gegen Platz im Innenhof eines Neu- und Bestandsgebäudeensembles.
Die Vorteile dieses Grundstückstausches für den Bauträger liegen auf der Hand:
- da sowieso Abstandsflächen eingehalten werden müssen, wäre es für die Blücher 26 Housing GmbH ein Nettogewinn an bebaubarer Fläche und das ohne zusätzliche Kosten
- die Abstandsfläche in der Mitte des Bauensembles, also der neue Spielplatz, würde vom Bezirk gestaltet und gewartet, ohne Kosten für die Eigentümer
- es wäre sicher praktisch für die geplante Kita, auf dem eigenen Hof einen von der Stadt betriebenen 'öffentlichen' Spielplatz zu haben.
Vorteile für den Kiez gäbe es durch diesen Grundstückstausch keine, dafür wären die Nachteile erheblich:
- der Spielplatz wäre nur noch über versteckte Zugangswege erreichbar und vom Rest des Kiezes isoliert
- die siebenstöckigen Zweckbauten direkt am Bürgersteigrand würden die durch Gründerzeitbauten geprägte Nachbarschaft dominieren und optisch verschandeln
- der nördliche Abschnitt der Schleiermacherstraße würde verschattet
- dieser Teil des Kiezes verlöre seinen grünen und offenen, zum Verweilen einladenden Stadtplatzcharakter. Eine der kleinen grünen Lungen, für die Berlin als „grünste Metropole Europas“ geschätzt ist, weniger.

Den Grundstückstausch kann der Bezirk nicht allein beschließen, er müsste beim Liegenschaftsamt des Senats beantragt werden, auch das geschähe nur dann, wenn die Projektplanung sowohl vom Bauausschuss als auch von der Bezirksverordnetenversammlung bewilligt würde.
NizKe ruft alle interessierten und besorgten Bürgerinnen und Bürger auf, ihrem Unmut über die geplante Kiezzerstörung Ausdruck zu verleihen, sich mit ihrer Unterschrift und besonders mit Eingaben an die Entscheidungsträger_innen gegen die derzeitige Planung zu wehren.
Die Bauauschussmitglieder sowie die Bezirksverordneten bittet NizKe, den geplanten Grundstückstausch zu verhindern.
Unterschriftenlisten für den Kiezerhalt liegen bei Pizza Don in der Schleiermacherstraße 9 aus.

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